Es ist erst Anfang Oktober, aber die Sonne ist weg. Vor einiger Zeit verschwand sie. Ganz plötzlich und ein wenig zu früh im Jahr. Die neue Jahreszeit ist verbunden mit Dunkelheit, Ende, Verlust, Einkehr und Einsamkeit oder Stillstand. Bestätigt wird das durch meine heutigen Eindrücke im Garten.Was ich beobachte, wieso es gruselig schabt und knistert und wie doch gleichzeitig die Hoffnung und der Fortbestand erinnernd aufblitzen, zeige ich euch heute in meinen Bildern.
Die schon deutlich kürzer und flacher vom Himmel scheinende Sonne versteckt sich seit Tagen irgendwo hinter den so dichten wie dicken und dunklen Wolken am Himmel. Das wenige Licht, das den Garten erreicht, wird gebremst und geschwächt vom Nebel und Niesel. Ein mächtiger Schalter im Gartenjahr. Keine Jahreszeit wird so abrupt und nachhaltig eingeläutet, wie der Herbst. Mit einem Schlag ist es zu Ende mit dem Wirren und Weben, dem Summen und Krabbeln, dem Brummen und Singen. Was grün war, prall und bunt, wird braun oder ocker und zerknittert.
Das passiert, wenn das Licht fehlt. Licht ist Leben. Wer im Dezember oder Januar zu den kürzesten Tageszeiten wieder überlegt, die Tomaten vor zu ziehen, weil am warmen und hellen Fensterbrett es ja optimal dafür wäre, der sollte sich jetzt einmal umsehen. Mit zu wenig Licht kein Leben. Da nützen Wärme und Feuchtigkeit nichts. Pflanzen leben entscheidend vom Licht.
Nicht nur ich merke, dass sich der Sommer verabschiedet hat. Überall im Garten stehen einsam und verlassen, die vor kurzem noch so belebten Plätze und Objekte.
Eng war es im Sommer zur Badestunde immer in der Vogeltränke. Sichtbar vergnügt und ausgelassen planschte die Spatzenbande darin. Danach musste ich immer Wasser auffüllen, so verschwenderisch spritzen sie es um sich und aus der Schale. Jetzt schwimmen abgefallene Blätter darin. Niemand hat mehr Lust auf ein erfrischendes Bad.
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die Freibadsaison ist beendet (c) by Joachim Wenk |
Die weiße Herbstanemone fühlt sich noch wohl und darum sollte sie auf einem Bild verewigt werden. Dann sah ich aber auf dem Foto im Hintergrund die blaue Kanne. Vergessen steht sie auf der Terrasse. Gerade noch im Dauereinsatz, wird sie nun nicht mehr gebraucht. Die Kübel sind feucht und die Pflanzen verdunsten kaum noch etwas. Die große Feige signalisiert auch den Herbst durch die intensive Gelbfärbung ihrer Blätter. Die Gießkanne braucht sie nun kaum noch.
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die blaue Kanne (c) by Joachim Wenk |
Sogar die kleine gelbe Sonne vor der Haustüre ist gegangen. Zurück gelassen hat sie nur die nahrhaften Samen für die Vögel. Die Natur vergisst niemanden und sorgt für sich, wenn man sie lässt. So kommen die kleinen zarten Vöglein gestärkt in den Winter. Während ich nun bereits am Abend vor dem Feuer im Kaminofen sitze, müssen sie bei jeder Näße und Kälte draußen aushalten. Umso wichtiger ist also die Energie, die sie von innen heizt.
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das Ende der Sonne (c) by Joachim Wenk |
Viel innere Energie muß sich auch mein Igel und seine Jungen anfressen. Daher füttere ich wieder im Igelhaus nach. Igeltrockenfutter mit Markennamen verschmäht er. Katzenfutter aus der Dose allerdings bleibt nie übrig. Wenn ich nur wüsste, ob nur die Mutter oder auch das kleine Igelkind, das ich nachts im Garten sah, an das Futter geht. Das hätte es noch nötiger als die große Mutter.
Ja das liebe Essen. Schon lange haben wir ihn nicht mehr benutzt. Die lauen Abende draußen beim Grillen sind vorbei. Es wird wohl noch lange dauern, bis wir hier wieder ein Feuerchen in Vorfreude auf Köstliches vom Grill anschüren.
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verlassener Grillplatz (c) by Joachim Wenk |
Nicht nur der Grillplatz ist verlassen. Auch diverse andere Sitzplätze oder Gartenbänke müssen keinem mehr zur bequemen Pause dienen. Naß ist alles, zum Sitzen ist es zu ungemütlich. Wehmut und Erinnerung sind nun ihr Verdienst, statt Rast und freudig-staunendes Umsichblicken während der Sommerstunden im Garten.
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keiner ruht mehr aus von der Gartenarbeit (c) by Joachim Wenk |
Das fröhlich plätschernde Wasser reflektierte durch eingebaute Leuchtdioden Lichtkleckse in die Umgebung. Tausende Diamanten schienen im Dunkeln überall in den Zweigen und an den Blättern darüber zu funkeln. Der helle Klang des Wasser fühlte sich an, als käme ein erfrischender Hauch über einen. Welche Wohltat, nach der Hitze des langen Tages. Das interessiert jetzt niemanden mehr und wenn er im Dunkeln läuft, nimmt niemand mehr das Lichtschauspiel war. Da sind bereist die Rolläden herunter gelassen und wir sitzen drinnen im Warmen.
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verflogender Diamantenzauber in der Nacht (c) by Joachim Wenk |
Die Hundebadewanne ist leer, übrige Untersetzer und ein paar leere Töpfe von Sämlingen warten auf den, der sie wegräumt. Etliche Kübelpflanzen sind bereits nach drinnen oder eben ins Carport gewandert. Verlassen sieht es aus, am jetzt nicht mehr so mediterranen Platz.
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das Mediterrane ist verschunden (c) by Joachim Wenk |
Durch meine jährlich angepasste, modifizierte und verbesserte Staudenauswahl blüht es wohl noch im Garten. Lichtmangel und Kälte führen aber immer wieder bei manchen Pflanzen zu einer Farbveränderung. Abermals kann ich beobachten, daß das creme-gelbe Leuchten der ausdauernden Stockrose plötzlich ein blasses Rosé ist. So lange die gelbe Sonne auf sie herunter brannte, leuchteten die Farben noch in hellem Gelb.
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sommerliches Gelb wird herbstliches Altrosé (c) by Joachim Wenk |
Weil eben das überbordende Wachsen und Wuchern beendet ist, schleichen sich nun heimlich ganz andere Gesellen zurück in die Aufmerksamkeit des durch das Grundstück wandelnden Gärtners.
In alten abgenutzten und verwitterten Mühlsteinen sitzen hier und da ein paar sehr hartnäckige und widerstandsfähige Pflänzlein. Sie werden nicht gegossen oder gedüngt. Weder Winterschutz noch Schatten vor der brennenden Julisonne benötigen sie. Das fasziniert mich immer wieder an ihnen.
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das Protzen und Wuchern ist beendet, jetzt sieht man auch wieder die Unscheinbaren (c) by Joachim Wenk |
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das Protzen und Wuchern ist beendet, jetzt sieht man auch wieder die Unscheinbaren (c) by Joachim Wenk(c) by Joachim Wenk |
Nicht nur optisch hat sich vieles hier im Landgarten verändert. Auch akustisch erlebt man nun ein ganz anderes Szenario. Den Sommer beherrschen die Lieder und das Gezanke der Vögel, das an manchen Pflanzen fast schon lästig laute Brummen der Bienen und Hummeln oder überall im Garten verteilt das enorm sonorige Quaken der Laubfrösche. Hier am Land kommen noch dazu die Motoren der Rasenmäher, Motorsensen, Heckenscheren und großen landwirtschaftlichen Maschinen.
Die Maschinen schweigen jetzt, abgeerntet sind die Wiesen und Felder. Der Rasen wird nur noch einmal vor dem Winter gemäht. Die Insekten brummen nicht mehr und oft ist es im Garten einfach nur ruhig. Wenn kein Wind weht, ist die Ruhe gespenstisch. Dann hört man das energische Stakkato in der Eiche. Der Specht sucht sich sein Abendessen. Oder es raspelt und knirscht in dunklen Ecken. Das gespannte Lauschen, wo wohl das Geräusch seinen Ursprung hat, wird jäh unterbrochen durch den, wie der Lärm eines Granateinschlages erscheinenden Knalls, den Eicheln verursachen, die aus großer Höhe auf das Blechdach des Carports oder die Doppelstegplatten des Gewächshauses herunter sausen.
Auf dem Foto hier sieht man übrigens den Grund für das feine Raspeln und Knirschen. Die Nüsse fallen. Zwar landen sie dann geräuschlos im Rasen, aber dort liegen sie nicht lange. Ich sammle sie regelmäßig ein und mit mir die Mäuse. Egel in welchem Gartengebäude, in welchem Stockwerk oder unter welchen Balken und Teilen man im Garten nachsieht. Überall liegen aufgenagte Nußschalen. Das müssen ganze Horden sein an kleinen, flinken und bepelzten Vierbeinern mit langem Schwanz und winzigen Finger. Sollen sie ihren Spaß mit den leckeren Nüssen haben. Ich habe so viel davon, daß ich sie selbst gar nicht verbrauchen kann.
Die Walnüsse fallen (c) by Joachim Wenk
Wenn sich die Sonnenblumen oder Walnüsse durch ihre Früchte und Samen so rege vermehren wollen. Wenn Igel und Mäuse sich für die Zukunft wappnen, den Winter also überstehen wollen, dann kann der Abschied vom Sommer doch nicht das Ende sein.
Nein, es ist eben nur der Abschied einer Jahrszeit und der Beginn einer Neuen. Ich sehe nicht nur Abschied und Vergehen im Garten. Vom neuen Leben der kleinen, junge Igel habe ich bereits berichtet. Mein Wahn des ständig blühenden Gartens trägt erste Früchte. Jetzt, da so viel vergeht fangen weitere Stauden erst an zu blühen. Manche der Herbstchrysanthemen haben nur Knospen, bei anderen erkennt man schon die Farbe, die sie bald ins Grau eines Oktobers und Novembers bringen werden.
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Blühbeginn Oktober-November (c) by Joachim Wenk |
„Der Herbst sei der Frühling des Winters“, las ich kürzlich. Mir kam das so vor, wie wenn der „Verlierer“ neuerdings sich immer „zweiter Gewinner nennt“. Es gibt aber eben nur einen Gewinner, wie der Frühling einzig der Frühling und der Herbst eben der Herbst ist. Nicht vergleichbar, nicht austauschbar, aber immer mit ganz besonderen Charaktereigenschaften. Alles andere wäre meiner Ansicht nach Augenwischerei.
Komisch, die Lenzrose hier allerdings glaubt wohl auch das vom Frühling des Winters. Jedenfalls blüht sie gerade recht schön. Eigentlich sollte sie das doch im März und nicht im Oktober oder?
Oder möchte sie mir einfach nur noch einmal Gewissheit verschaffen: Nach der Ruhepause geht es weiter. Dann kommt der nächste, der einzige, der richtige Frühling.
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die Lenzrose blüht im Oktober? (c) by Joachim Wenk |